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– von Mario Dusi. Bei der Zustellung zivilrechtlicher Klageschriften im europäischen Rechtsraum gibt es immer wieder große Zweifel daran, wie sich der Beklagte verhalten soll, wenn er ein gerichtliches Schriftstück erhält.

Der EU-Gerichtshof (dessen Entscheidungen leider oft von Anwälten nicht gelesen werden!) hat in seinem Urteil in der Rechtssache C-7/21 etwas Licht in diese Angelegenheit gebracht, indem er Folgendes feststellte:

„Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 hat der Empfänger eines Schriftstücks die Möglichkeit, die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks zu verweigern, wenn es nicht entweder in einer Sprache, die der Empfänger versteht, oder in der Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats oder, wenn es im Vollstreckungsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, in der Amtssprache oder in einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, abgefasst oder keine Übersetzung in diese jeweilige Sprache beigefügt ist.

Diese Möglichkeit, die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks zu verweigern, ist ein Recht des Empfängers, das er entweder zum Zeitpunkt der Zustellung oder innerhalb einer Woche ausüben kann, sofern er dasselbe Schriftstück innerhalb dieser Frist zurückgibt.

Dieses Recht, die Annahme eines zuzustellenden Schriftstücks zu verweigern, ermöglicht es, die Verteidigungsrechte des Empfängers dieses Schriftstücks zu schützen und gleichzeitig die Anforderungen an ein faires Verfahren, gemäß Artikel 47 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu wahren.

Auch wenn die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 in erster Linie darauf abzielt, die Effizienz und Schnelligkeit der Gerichtsverfahren zu verbessern und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, können diese Ziele nicht dadurch erreicht werden, dass die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte der Adressaten der betreffenden Handlungen in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird (Rn. 34-36).

Das Recht des Empfängers eines zuzustellenden Schriftstücks, die Zustellung zu verweigern, entspricht der bewussten Entscheidung des Antragstellers, das Schriftstück nicht vorab übersetzen zu lassen. Nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 ist es nämlich Sache der Übermittlungsstelle, den Antragsteller auf die Gefahr hinzuweisen, dass der Empfänger den Empfang eines Schriftstücks, das nicht in einer der in Art. 8 der Verordnung genannten Sprachen abgefasst ist, verweigern könnte. Es ist jedoch Sache des Klägers, zu entscheiden, ob es erforderlich ist, das betreffende Dokument übersetzen zu lassen, dessen Kosten er im Übrigen gemäß Artikel 5 Absatz 2 der genannten Verordnung zu tragen hat.“

Natürlich muss nun (in Bezug auf die Zustellung) auf die neue Verordnung (EU) 2020/1784 verwiesen werden, die die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke beschleunigen soll, die aber (in der Praxis) in den meisten Fällen die gleichen Probleme aufwirft wie die bisherigen EU-Vorschriften.